30+ Jahre Finanzkrisen-Management – Lessons Learned und Prioritäten für die Aufsicht
Bei einem Bundesbank-Symposium am 12. Juni 2024 bot Stefan Walter, Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA), einen tiefgreifenden Einblick in seine mehr als dreißigjährige Erfahrung im Krisenmanagement der Bankenaufsicht. Walters Rede, die auf einer beeindruckenden Karriere bei der Federal Reserve Bank of New York, dem Basler Ausschuss und der Europäischen Zentralbank aufbaut, beleuchtete kritische Aspekte der Finanzmarktregulierung und -aufsicht.
Finanzkrisen im Rückblick: Die zentrale Rolle der Banken
Walter begann mit einer schonungslosen Analyse vergangener Finanzkrisen. Er zeichnete ein klares Bild: Ob es sich um die Schuldenkrise weniger entwickelter Länder, die Probleme im Gewerbeimmobilienmarkt oder die Eurokrise handelte – der Bankensektor stand fast immer im Zentrum des Geschehens. Besonders hervorgehoben wurde die Rolle der Banken bei der Finanzierung des Schattenbankensystems, das in der globalen Finanzkrise 2008/2009 eine verhängnisvolle Rolle spielte.
Bemerkenswert war Walters Beobachtung, dass Krisen ohne direkte Bankenbeteiligung, wie das Platzen der Dotcom-Blase oder der jüngste Zusammenbruch des Kryptomarktes, vergleichsweise milde Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hatten. Diese Erkenntnis untermauert Walters Hauptthese: Eine robuste, unabhängige Bankenaufsicht ist unerlässlich für die Finanzstabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum.
Der SSM: Ein Kind der Krise wird zum Erfolgsmodell
Ein Großteil von Walters Rede widmete sich dem Single Supervisory Mechanism (SSM), der als Reaktion auf die Eurokrise geschaffen wurde. Walter, der selbst zehn Jahre beim SSM tätig war, bezeichnete ihn als Erfolgsgeschichte in der Krisenprävention. Er führte diesen Erfolg auf mehrere Faktoren zurück:
- Eine starke regulatorische Basis auf EU-Ebene, die frühzeitige Interventionen ermöglicht.
- Die Entwicklung harmonisierter Aufsichtspraktiken, die auf den besten Ansätzen der nationalen Behörden aufbauen.
- Der Einsatz vergleichender Analysen (Peer Analyses) zur Durchsetzung von Best Practices in der Branche.
- Die erfolgreiche Verknüpfung von Makro- und Mikroperspektiven in der Aufsicht, die zu einer gezielten Priorisierung der Aufsichtstätigkeit führt.
Walter illustrierte die Effektivität des SSM anhand konkreter Beispiele, wie der Vorbereitung auf mögliche Zinsänderungsrisiken und der Durchführung von Stresstests für Liquiditätsabflüsse. Diese vorausschauenden Maßnahmen hätten dazu beigetragen, dass der europäische Bankensektor die jüngsten Krisen – von der Pandemie bis zur Inflationswelle – relativ gut überstanden habe.
Zukunft der Regulierung und Aufsicht: Proaktiv und ganzheitlich
Für die Zukunft skizzierte Walter mehrere Schwerpunkte:
- Die vollständige Umsetzung von Basel III, mit möglichen Anpassungen basierend auf den Erfahrungen von 2023.
- Eine umfassendere Erfassung der Kreditvermittlung außerhalb des traditionellen Bankensektors, möglicherweise durch eine globale statistische Erfassung durch die BIS.
- Ein tieferes Verständnis der Verflechtungen zwischen Banken und stark gehebelten Nichtbank-Finanzinstituten (NBFIs), insbesondere im Hinblick auf neue Akteure wie Private-Equity-Gesellschaften und perspektivisch auch Krypto-Unternehmen.
- Die Prüfung direkterer regulatorischer Ansätze für NBFIs, die bankartige Funktionen übernehmen.
Besonders eindringlich plädierte Walter für eine Stärkung der qualitativen Aufsicht und Frühintervention. Er argumentierte, dass die schwerwiegendsten Bankenprobleme fast immer auf Schwächen in der Risikokultur, Governance oder den Geschäftsmodellen zurückzuführen seien. Um diese frühzeitig zu erkennen, schlug er ein System von "Red Flags" vor, das Indikatoren wie eine dominierende CEO-Persönlichkeit ohne ausreichende Kontrollen, Missachtung von Audit-Ergebnissen oder ein übermäßiger Fokus auf Wachstum umfasst.
Walter betonte, dass die Aufsicht zwar nicht die Unternehmensführung übernehmen solle, aber durchaus Maßnahmen ergreifen könne, um offensichtliche Missstände zu beheben. Diese könnten von höheren Kapitalzuschlägen über Wachstumsbeschränkungen bis hin zur Überprüfung der Eignung von Führungskräften reichen.
Fazit: Ein Aufruf zur kontinuierlichen Weiterentwicklung
Abschließend unterstrich Walter die Notwendigkeit, Regulierung und Aufsicht kontinuierlich weiterzuentwickeln, um mit Innovationen und Finanzmarktzyklen Schritt zu halten. Seine Rede war ein eindringlicher Appell, die Lehren aus drei Jahrzehnten Finanzkrisen ernst zu nehmen und eine proaktive, ganzheitliche Aufsichtspraxis zu etablieren. Nur so, argumentierte Walter, könne ein nachhaltiger Finanzsektor als Fundament einer gesunden Wirtschaft geschaffen und erhalten werden.
Quelle: FINMA vom 12.06.2024
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